Wahlprogramme: Zahngesundheit wählen

Wie sich die Bundestags-Wahlprogramme für Zahnärzte auswirken

Die BLZK warnt vor einem Praxissterben, besonders im ländlichen Raum. Zu den Gründen zählen der Fachkräftemangel, die überbordende Bürokratie, die Budgetierung und der seit 1988 stagnierende GOZ-Punktwert. In welchen Wahlprogrammen finden sich Lösungen? Und welche Konsequenzen hat die Bundestagswahl je nach Ausgang für die Zahnarztpraxen? Darauf hat die BLZK die Wahlprogramme der im Bundestag und im Bayerischen Landtag vertretenen Parteien geprüft.


Wer hat die Honorierung im Blick?

Doch nur wenige Parteien richten ihren Blick auf die Honorare der medizinischen Berufe: Die SPD will die Budgetierung der Hausärzte abschaffen. Die AfD kritisiert die Budgetierung im Facharztbereich. Die FDP erklärt: „Zu einer Stärkung der flächendeckenden ambulanten Versorgung gehört für uns auch, dass die ungekürzte Vergütung aller Gesundheitsberufe leistungsgerecht erfolgen muss.“ Das beträfe folglich auch die Zahnärzte. Die Freien Wähler fordern, für die freien Berufe im Gesundheitswesen eine zeitgemäße Honorierung der Leistungen sowie eine Anpassung und Dynamisierung der Gebührenordnungen. Zur GOZ positioniert sich ansonsten keine im Bundestag vertretene Partei in ihrem Programm. Bei denjenigen Parteien, die eine Bürgerversicherung fordern, also SPD, Grünen, Linke und BSW, hätte eine private Gebührenordnung – je nach Ausgestaltung – ohnehin weniger Relevanz. So will das BSW etwa notwendigen Zahnersatz vollständig in die GKV zurückholen.


Impulse zur Fachkräftegewinnung

Auf die Möglichkeiten von Zahnärzten als Arbeitgeber und Arbeitnehmer wirken sich die Wahlprogramme sehr unterschiedlich aus: CDU/CSU, FDP und Freie Wähler wollen das Arbeitszeitgesetz reformieren und die tägliche durch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit ersetzen. Auch beabsichtigen sie, die Hinzuverdienstgrenzen zu erhöhen, damit sich Arbeit spürbar immer mehr lohnt. Union und FDP wollen auch Überstundenzuschläge bei Vollzeitarbeit steuerfrei stellen. Die Sozialdemokraten hingegen setzen nicht auf Anreize für mehr Arbeit, sondern treten konkret in Bezug auf Angestellte im Gesundheitswesen für „mehr Freizeitausgleich“ ein – „beispielsweise durch eine verkürzte Wochenarbeitszeit“.

Um Fachkräfte zu gewinnen und richtig einzusetzen, plädieren fast alle Parteien (außer AfD, BSW und Freie Wähler) für eine beschleunigte Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse. Ebenso wollen die meisten Parteien bessere Bedingungen schaffen, damit Menschen über das Renteneintrittsalter hinaus arbeiten. Lediglich bei BSW und der Linken ist diese Forderung nicht zu finden.


Eltern sind gefragt – aber nicht von allen

Die Union kündigt an, das Elterngeld zu „verbessern“, die Grünen versprechen, es zu „erhöhen“. Die SPD will es auf 18 Monate ausweiten und ein Konzept für einen Mutterschutz für Selbstständige entwickeln. Die Freien Wähler möchten ebenfalls ein Instrument schaffen, damit sich keine Unternehmerin zwischen Betrieb und Familie entscheiden muss. Die Liberalen setzen sich für einen flexiblen und freiwilligen Mutterschutz für selbständige Frauen ein. Auch beim Elterngeld fordern sie, dass die Vorschriften die Arbeitsrealität von Selbstständigen realistisch abbilden müssen. Gleichzeitig sprechen sich die im Bundestag vertretenen Parteien mehr oder weniger deutlich für eine bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf aus. CDU/CSU und FDP wollen dazu auch die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten erhöhen. Während diese Parteien Eltern und besonders Mütter offenbar als Gruppe mit großem Potenzial für den Arbeitsmarkt erkennen, würde die AfD Eltern dafür noch belohnen, dass sie der Arbeitswelt fern bleiben: mit einem Betreuungsgehalt bis zum dritten Geburtstag des Kindes, das sich als Lohnersatzleistung am letzten Nettogehalt bemisst.


Bürokratieabbau mehr oder weniger ambitioniert

Den Abbau bürokratischer Hürden haben alle genannten Parteien auf der Agenda. Vergleichsweise zurückhaltend geht die SPD in ihrem Programm den Bürokratieabbau an: „Beim Bürokratieabbau achten wir darauf, dass Arbeitnehmerrechte, Verbraucherrechte und Ziele des ökologischen Wandels nicht gefährdet werden.“ Ähnlich die Grünen: Sie wollen Bürokratie reduzieren „ohne soziale oder ökologische Schutzstandards abzubauen.“ Im Fokus steht der Bürokratieabbau in den Programmen von CDU/CSU und FDP: Sie fordern Jahresgesetze zum Bürokratieabbau und wollen Gesetze befristen. Die Union schlägt vor, neue Regelungen nach dem Motto „One in, two out“ zu reduzieren, die FDP möchte eine Bürokratiebremse im Grundgesetz verankern. Sowohl CDU/CSU und FDP als auch Freie Wähler fordern, dass europäisches Recht nicht mehr auf nationaler Ebene übererfüllt werden darf. Für die AfD stellt sich diese Frage nicht, denn in ihrem Programm hat die Europäische Union als solche keine Perspektive.


Freiberuflichkeit unter Beschuss?

Während die BLZK die Ausbreitung investorengeführter Medizinischer Versorgungszentren (iMVZ) als einen der Gründe für das drohende Praxissterben auf dem Land anführt, halten sich die Parteien zu diesem Thema in ihren Programmen zurück. Die einzigen Parteien in diesem Vergleich, die iMVZ in ihren Wahlprogrammen thematisieren, sind Freie Wähler und Linke – mit unterschiedlichen Motiven: Die Freien Wähler wollen der zunehmenden Einflussnahme von renditenorientierten Kapitalinvestoren auf die ambulante medizinische Versorgung Einhalt gebieten und die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung stärken. Die Linke sagt privaten Kapitalgesellschaften, die in MVZ investieren, sie „auf Profite trimmen und teurer weiterverkaufen“, den Kampf an. Dabei zielt die Linke nicht auf die Stärkung der freien Berufe, sondern in Richtung Deprivatisierung des Gesundheitswesens. Freiberufler will sie in die Gewerbesteuer einbeziehen, wobei die Lektüre des Programms die Frage aufwirft, ob es nach Vorstellung der Linken überhaupt noch freiberufliche Zahnärzte geben soll. Schließlich wären kommunale Gesundheitszentren nach Vorstellung der Linken nicht nur eine Notlösung in unterversorgten Gebieten, sondern das „Rückgrat der wohnortnahen Gesundheitsversorgung“.

Die Union hingegen legt in ihrem Wahlprogramm ein „Bekenntnis zum Grundsatz der Freiberuflichkeit“ ab. Auch die FDP will die Freien Berufe im Gesundheitswesen stärken und präzisiert: „Diese müssen in medizinischen Fragen autonom und frei von Weisungen Dritter entscheiden können. Die Therapiefreiheit der Behandlung ohne Budgetierungszwang kommt den Patientinnen und Patienten zugute.“ Die AfD will die Niederlassung von Ärzten im ländlichen Raum finanziell fördern. Die Freien Wähler setzen sich für „eine wohnortnahe und flächendeckende medizinische Versorgung in Deutschland mit u. a. freiberuflichen Haus- und Fachärzten sowie mit inhabergeführten Apotheken“ ein.


Duales System oder Bürgerversicherung?

In ihrem gemeinsamen Wahlprogramm kündigen CDU und CSU an, die Entwicklung der Sozialsysteme mit einem jährlichen „Sozialstaatstragfähigkeitsbericht“ in den Blick zu nehmen und erforderliche Maßnahmen zu ergreifen. Union wie auch die FDP bekennen sich klar zur Selbstverwaltung und zur Dualität aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Schwarz und Gelb setzen auf mehr Eigenverantwortung der Versicherten, Wettbewerb unter den Krankenkassen und Effizienz beim Einsatz von Beitragsgeldern. Konkret will die FDP Leistungen, die sich in einem „Evidenz-, Effizienz- und Wirtschaftlichkeitscheck“ nicht bewährt haben, aus dem GKV-Katalog streichen. Die Freien Wähler wollen das bestehende System durch neue Vorsorgebausteine ergänzen. Allerdings intendieren sie auch, private Krankenversicherungen an den strukturellen Vorhaltekosten von medizinischen Einrichtungen zu beteiligen.

SPD, Grüne und AfD wollen die GKV stärker an den Tropf der Steuerzahler hängen. Die AfD möchte allerdings gleichzeitig ihr Skalpell an der Selbstverwaltung ansetzen. Die vier Parteien, die ihre Plätze auf der linken Seite der Plenarsäle haben, sehen das Heil vor allem aber in einer Geld-Transfusion von der PKV zur GKV. So hält die SPD weiter am Begriff der Bürgerversicherung fest, wobei sie private Krankenversicherungen nicht gänzlich abschaffen aber in den Risikostrukturausgleich einbeziehen will. Ihr Ziel ist zudem eine einheitliche Vergütung. Das Umlagesystem möchte die SPD ausdrücklich stärken – ungeachtet der Tatsache, dass genau dieses System besonders sensibel auf die demographische Entwicklung reagiert. Erklärte Absicht der Grünen ist eine Kranken- und eine Pflege-Bürgerversicherung inklusive einer Reform der Beitragsbemessung sowie Heranziehen von Kapitaleinnahmen zur Finanzierung von Gesundheit und Pflege. Erkennbar groß sind die Übereinstimmungen mit den Wahlprogrammen von BSW und der Linken. Letztere würde der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung ebenfalls Zugriff auf sämtliche Einkünfte aller Bürger eröffnen, wobei sie die Beitragsbemessungsgrenzen sogar komplett abschaffen will. Für Zahnärzte würde das nicht nur bedeuten, dass sie keine privat versicherten Patienten mehr hätten; sie müssten auch mit allen Einkünften in die gesetzliche Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung einzahlen.


Zukunft der berufsständischen Versorgungswerke

Die Parteien positionieren sich in ihren Wahlprogrammen nicht explizit zu berufsständischen Versorgungswerken. Abgesehen von BSW und Linke herrscht aber weitgehend Konsens darüber, dass die gesetzliche Rente wirksam durch betriebliche und private Vorsorge ergänzt werden sollte. SPD und Union planen auch eine verbindliche Altersvorsorge für Selbstständige; die SPD, allerdings im Zusammenhang damit, dass sie mehr Erwerbstätige in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen will. Die Freien Demokraten hingegen räumen Selbstständigen bei der Altersvorsorge maximale Wahlfreiheit ein und stellen klar: „Der Zugang zur gesamten geförderten privaten Altersvorsorge muss dabei künftig für alle Erwerbstätigen offen sein.“ Die Grünen wollen das Alterssicherungssystem wie auch die Krankenversicherung schrittweise zu einer Bürgerversicherung umbauen. Zur ergänzenden Kapitaldeckung planen sie einen „öffentlich verwalteten Bürger*innenfonds“, der Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt. Das BSW und Linke wollen alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen und die private Vorsorge nicht weiter fördern. „Wie in Österreich sollten auch bei uns alle Erwerbstätigen, auch alle Bundestagsabgeordneten und Bundesminister, verpflichtend in die gesetzliche Rente einzahlen“, fordert das BSW. Auf Österreich als Vorbild verweist auch die AfD in ihrem Wahlprogramm, „weil in Österreich auch Bevölkerungsgruppen in die Rentenkasse einzahlen, die bei uns davon befreit sind“.


Eingriffe zur Verkürzung von Wartezeiten

Einen breiten politischen Konsens gibt es hinsichtlich der Forderung nach einem Primärarztsystem. Auch die Notwendigkeit, Wartezeiten für gesetzlich versicherte Patienten zu verkürzten, sehen die meisten Parteien als politische Aufgabe. Die Union fasst dazu eine stärkere Steuerungsfunktion durch Haus- und Kinderärzte ins Auge. Gesundheitspolitische Kernforderung der SPD ist, dass das System für alle überall im Land gerecht ist – inklusive einer Termingarantie der Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen. Bei Nichteinhaltung der Termingarantie sollen gesetzlich Krankenversicherte einen Anspruch auf Beitragsreduzierungen geltend machen können. Auch die Grünen setzen hier auf ein planwirtschaftliches Instrument: Damit Patienten schneller Termine erhalten, wollen sie den Sprechstundenanteil für gesetzlich Versicherte erhöhen.


Elektronische Patientenakte: Mehr Euphorie als Skepsis

Die Union sieht in der elektronischen Patientenakte (ePA) große Potenziale, die sie im Einklang mit dem Datenschutz weiter ausschöpfen will. Sie werde die Digitalisierung in der ambulanten Versorgung unterstützen und die freiwillige Weitergabe der persönlichen Gesundheitsdaten für klinische Studienzwecke voranbringen. Die SPD formuliert ihren Anspruch, die ePA zu einem „persönlichen Gesundheitsberater für die Versicherten“ weiterzuentwickeln. Die Grünen betonen: „Wir haben die Nutzung von Daten für Forschung und Versorgung verbessert und werden diesen Weg fortsetzen, um die Qualität und Effizienz im Gesundheitswesen zu steigern.“ Auch die FDP will die Digitalisierung weiter vorantreiben und sieht in Gesundheits-Apps, Telemedizin und Wearables große Chancen, besonders in der Prävention. Die AfD befürwortet „die Speicherung eines Notfalldatensatzes, einschließlich eines Medikamentenplans und einer Patientenverfügung auf der Krankenversicherungskarte. Die Freien Wähler stellen klar, aufgrund der Daten auf der ePA dürfe es nicht zu einem „Scoring“ des Patienten kommen oder zu Versorgungsnachteilen. Die Linke betont, dass riesige Datenmengen nicht ohne Wissen der Patienten für kommerzielle Player freigegeben werden dürfen.

Kontakt

Leiterin Stabsstelle Politik, Strategie, Kampagnen, Grundsatzfragen
Julika Sandt
Tel.: 089 230 211-210

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